Koffein kickt – der Turbo im Ausdauersport

Koffein kickt! Nicht nur im Kaffee oder Espresso, sondern auch in Riegel, Gels und Sportgetränken. Kein Wunder, denn der Muntermacher hilft richtig dosiert, die Leistung von Ausdauersportlern zu verbessern. Junkmiles erklärt im Podcast Folge 70 und hier im Blogbeitrag, wie der Booster funktioniert und gibt Tipps, wie er einzunehmen ist..

Viele Menschen, die das Wort Koffein hören, sehen vor ihrem geistigen Auge ein schwarzes Gebräu beziehungsweise eine dunkelbraune kräftige Crema. Einige wenige, darunter auch einer der Junkmiles-Podcast-Hosts, verbinden mit Koffein dagegen 1,3,7-Trimethylxanthin. Das ist der chemische Begriff jener Substanz, die es uns ermöglicht, ganz legal die sportliche Leistung zu steigern.

Das war übrigens nicht immer so. Gut zwei Jahrzehnte lang stand Koffein auf der Verbotsliste des Internationalen Olympischen Komitees und der Welt-Anti-Doping-Agentur und wurde erst 2004 legalisiert. Die Älteren erinnern sich sicher auch noch an den Trouble um einen Werbe-Claim für ein Shampoo gegen Haarausfall: „Doping für die Haare“ gefolgt kurze Zeit später von „… nur für die Haare“.

Einer der wesentlichen Gründe für die Legalisierung des Wirkstoffs: Athleten reagieren sehr unterschiedlich auf Dosierung und Menge dieser ergogenen Substanz, so dass es unmöglich war und ist, einen „gerechten“ Grenzwert zu bestimmen.

Die Wirkung von Koffein auf den menschlichen Organismus beschäftigt Wissenschaftler aber schon seit Goethes Zeiten – und die ersten Studien zur Auswirkung von Koffein auf die sportliche Leistung sind mehr als 100 Jahre alt. So ist es geradezu logisch, dass Koffein zu den am besten untersuchten Supplementen im Sport zählt.

Genauso wie das Koffein im Kaffee uns hilft wach und munter in den Tag zu starten, kann es gerade im Sport auch die Ermüdung hinausschieben. Doch wie funktioniert das eigentlich genau?

Leistungssteigerung im Ausdauersport durch Koffein

Da Koffein wasserlöslich ist, gelangt es sehr schnell in die Blutbahn, überwindet die Bluthirnschranke und besetzt in unserer Schaltzentrale die Rezeptoren, die normalerweise für das Molekül Adenosin vorbehalten ist. Dieses Adenosin wiederum steuert wesentlich unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Es sorgt im Gehirn dafür, das sogenannte Neurotransmitter, die uns wach machen und halten wie Dopamin, Adrenalin etc. nicht ausgeschüttet werden und wir müde werden.

Findet das Adenosin jetzt aber im Gehirn kein Gehör mehr – sprich kann nicht andocken, da an seiner Stelle Koffein die Kommunikation übernommen beziehungsweise seinen Platz eingenommen hat – werden wir gar nicht so schnell müde und die Neurotransmitter feuern munter weiter. Wir werden nicht so schnell müde und empfinden Schmerzen als nicht so stark– und das gilt für die Psyche wie auch für die Physis.

Duell im Gehirn: Koffein versus Adenosin

Kurzum ist Koffein der Gegenspieler – der Antagonist – des Adenosins. Doch grau ist alle Theorie: Was für eine tatsächliche Auswirkung Koffein auf den „Bewegungsdrang“ haben kann, zeigen viele Studien. Sie beweisen, dass mit Koffein bessere (Ausdauer-) Leistungen möglich sind als ohne Koffein.

Vorsicht: Folgender Absatz behandelt Björns Lieblingsstudie zum Thema Koffein und ist nichts für Menschen mit schwachen Nerven.

Die Wissenschaftler um J. Mark Davis haben der beliebten Probandengruppe der Ratten direkt unterschiedliche Substanzen direkt ins Gehirn gespritzt. Einer Gruppe lediglich ein Placebo, einer nur Adenosinrezeptoren, einer Koffein und einer anderen Koffein zusammen mit Adenonsinrezeptoren. Die Ratten mussten laufen. Während die Placebogruppe 80 Minuten lief, kam die Adenosin-Gang auf lediglich 20 Minuten. Für die mit Koffein supplementierten Nager war dagegen erst nach 120 Minuten Schluss. Die Ratten, denen das aufputschende Koffein und das ermüdende Adenosin gleichzeitig gespritzt wurde, erreichten dieselbe Zeit wie die Placebo-Gruppe.

Das Ergebnis zeigt, dass sich die beiden Substanzen egalisieren. Die Studie beweist aber auch, dass Koffein die Ausdauerleistung verbessert, da die Ratten mit dem Koffein-Boost 50 Prozent länger laufen konnten als die Placebo-Kontrollgruppe.

Ein weiterer angeblicher Benefit ist heute viel umstrittener als noch vor rund einem Jahrzehnt- nämlich die Auswirkung von Koffein auf den Fettstoffwechsel. Das wurde damit begründet, dass der Neurotransmitter Adrenalin verstärkt für die Freisetzung von Fettsäuren sorgt. Und diese können dann wiederum zu Energie umgewandelt werden. Sprich: Je mehr Adrenalin ausgeschüttet wird, desto mehr freie Fettsäuren werden weiter verwertet zu Energie. Allerdings fehlt hier der Gegenbeweis, dass durch den verstärkten Umsatz von Fettsäuren, dann Kohlenhydrate eingespart werden. Die Studienlage zum Thema Lipidoxidation ist nicht klar und sehr uneinheitlich und in dem Kontext für die Leistungssteigerung im Wettkampf daher zu vernachlässigen.

Dank Koffein zucken Muskeln „länger“

Ein dritter Wirkmechanismus, der gerade aber bei langen Ausdauerveranstaltungen wie Ironmans oder Radmarathons zum Tragen kommt, hängt ebenfalls mit der Ermüdung zusammen – mit der Ermüdung der Muskulatur. So gibt es Studien, die zeigen, dass Koffein auch Einfluss auf die Natrium-Calcium-Kanäle haben kann, also direkt auf die Muskelkontraktion. Diese ermüdet bekanntermaßen mit fortlaufender sportlicher Betätigung. Beim Marathonlauf wird der Triathlet ja nicht unbedingt langsamer aufgrund der Kohlenhydratmangels, sondern aufgrund der Ermüdung seiner Muskulatur – Stichwort Fatigue. Diese müden Muskeln resultieren aus einer mangelnden Ansteuerung und letztendlich schlechteren Versorgung mit Flüssigkeit, Nähr- und Mineralstoffen. Natrium, Calcium und auch Kalium beispielsweise gelangen schwerer in die Zellmembran der Muskulatur, was zur Folge hat, dass sich die neuronale Ansteuerung und die Reizweiterleitung verschlechtert. Koffein kann diese Feuerungsrate – sprich die Stimulation der Natrium-Calcium-Pumpen – wieder erhöhen und so dafür sorgen, dass sie wieder schneller zucken.

Zu diesem Wirkmechanismus bei bereits vorermüdeten Sportlern in einem Ironman gibt es keine Studien und wird es aufgrund des Studiendesigns auch nie welche geben. Die klassischen Studien zur Leistungsverbesserung durch Koffein fanden zumeist nur im Rahmen eines Laufs von zwischen 5 und 10 Kilometern sowie mal eines 20 Kilometer langen Zeitfahrens statt. Es wäre außerdem auch unmöglich, eine ausreichend große Zahl an Triathleten in ihrer letzten Disziplin zum Mitmachen an solch einer Studie zu bewegen.

Entscheidend ist vielmehr die Quintessenz aller Studien: Koffein kann sowohl physisch als auch psychisch die Ermüdung in unterschiedliche Ausprägungen aufhalten und uns aktiver, wacher und im sportlichen Sinne erregbarer machen. Wie viel Prozent davon auf die Psyche und wie viel Prozent auf die Physis einzahlen, ist weniger entscheidend – und für die Praxis auch nur von untergeordneter Bedeutung

Nebenwirkungen: Die Kehrseite des Koffeins

So schön gut, die positiven Auswirkungen von Koffein auch sind, es kann aber durchaus zu Nebenwirkungen kommen. Angst, Nervosität, innere Unruhe, Schwindel, Magen-Darm-Probleme sind nur einige wenige, die aber auch nicht verharmlost werden sollten. Gerade, wenn es um die richtige Dosierung geht. Die entscheidet letztendlich nämlich darüber, ob die Supplementierung mit Koffein zum Gamechanger wird.

Das Zeug dazu hat das Koffein – wie schon beschrieben. Allerdings „verstoffwechselt“ und verträgt es jeder anders.

Koffein: Auf die richtige Dosierung kommt es an

Und hier kommen wir zur Dosis – denn die macht bekanntermaßen das Gift. Das Paracelsusche Motto gilt beim Koffein genauso wie bei anderen leistungssteigernden Stoffen. Die Wissenschaft empfiehlt 3 bis 6 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, um einen leistungssteigernden Effekt zu erzielen. Das sind bei einer 60 Kilogramm schweren Athletin zwischen 180 und 360 Milligramm Koffein, für einen 75 Kilogramm schweren Athleten 225 bis 450 Milligramm Koffein. Schön abstrakt 450 Milligramm – oder?

Koffein: So viel ist in Kaffee, Espresso, Cola & Co. drin

 Hier ein kleiner Vergleich: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gibt als Richtwert folgende Werte an.

  • Eine Tasse Filterkaffee (200 ml) enthält 90 Milligramm Koffein.
  • Ein Espresso (60 ml) enthält 80 Milligramm Koffein.
  • Eine handelsübliche Dose Cola (355 ml) enthält 40 Milligramm Koffein.
  • Eine handelsübliche Dose eines Energiegetränks (250 ml) enthält 80 Milligramm Koffein.

Allerdings sind die Angaben zu den „Kaffeespezialitäten“ mit Vorsicht zu genießen, da beispielsweise Bohnensorte, Röst- und Mahlgrad Einfluss auf den Koffeingehalt haben können.

Bei der Sporternährung ist dagegen der Koffein-Shot unterschiedlich stark ausgeprägt. So gibt es durchaus schon Gels (30 g), in denen 100 Milligramm Koffein (!) stecken. Also wahllos alles essen und trinken während des Wettkampfs kann im wahrsten Wortsinne nach hinten losgehen. Erst recht, wenn der Magen-Darm-Trakt schon gestresst ist.

Zurück zu den der Empfehlung von 3 bis 6 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Was passiert bei einer höheren Dosis? Bis zu 9 Milligramm kann das Koffein bei dem einen oder anderen durchaus seine positive Wirkung noch entfalten, bei mehr als 9 Gramm kommen dann die ungesunden Effekte, die keiner haben will, mit Herzrasen, Nervosität, Fahrigkeit zum Ausbruch.

Jetzt wird der eine oder andere sicher laut aufschreien und behaupten, er hätte schon mehr als 9 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht während eines Wettkampfs oder aber über den Tag verteilt via Kaffee & Co. zu sich genommen, ohne umzukippen.

Die Halbwertszeit entscheidet auch über die Wirkung des Koffeins

Das ist durchaus möglich, denn jetzt kommt eine zweite Unbekannte ins Spiel – die sogenannte Halbwertszeit. Wir erinnern uns an den Chemieunterricht oder dem Super-GAU von Tschernobyl als es um die Halbwertszeit des radioaktiven Cäsiums ging. Auch Koffein baut sich im Laufe der Zeit – sprich innerhalb von Stunden ab, allerdings nicht komplett.

Denn Halbwertszeit bedeutet, wie der Name schon erklärt, dass innerhalb dieser Phase immer noch 50 Prozent des Peaks vorhanden sind. Wer also 200 Milligramm Koffein zum Frühstück via Espresso oder Ähnlichem konsumiert, kann nach acht Stunden immer noch 100 Milligramm seines Frühstückheißgetränks im Organismus haben. Auch der Kaffee des Vortags kann bei entsprechender Menge nach dem Schlaf noch in der Blutbahn herumdilettieren.

Dem Athleten, der also nur ein Zeitfahren von einer Stunde bestreitet oder einen 10 Kilometer-Lauf absolviert, kann das egal sein. Er muss lediglich wissen, dass das Koffein zwischen 20 Minuten und zu einer Stunde seine volle Wirksamkeit entfaltet. Immer auch abhängig von der Darreichungsform: fest oder flüssig. Kaugummi und Nasenspray soll schneller funktionieren und umgeht sogar den Stress mit dem Gastrointestinal-Trakt.

Die Halbwertszeit von Koffein wird in den Studien mit einer Spanne von zwei bis acht Stunden beschrieben. Wie gesagt individuell verschieden und es gibt hier Anzeichen, dass der Organismus von passionierten Kaffeetrinkern das Koffein schneller abbaut als von Abstinenzlern oder Wenig-Trinkern.

Entgegen frühen lautenden Empfehlungen ist eine sogenannte Wash-Out-Phase nicht nötig beziehungsweise es gibt dafür keine verlässliche, wissenschaftliche Grundlage. Vor ein paar Jahren noch wurde beispielsweise Radprofis empfohlen, vor großen Landesrundfahrten mehrere Wochen lang auf Koffein zu verzichten und entkoffeinierten Kaffee zu trinken, um im Wettkampf dann bei der Einnahme eine größere Wirkung zu erzielen.

Exemplarisches Koffein-Timing beim Wettkampf

Wie kann jetzt solch ein Koffein-Loading bei einem Langdistanzwettkampf wie einem Ironman oder einem Radmarathon getimt sein? Zuerst einmal sollte der Athlet vermeiden, am Tag zuvor übermäßig viel Koffein zu sich zu nehmen, damit die interne Koffein-Tankanzeige am Rennmorgen bei null steht.

Wer zum Frühstück gerne Kaffee trinkt, sollte das auch weiterhin tun. Denn er gehört zum Morgenritual und ist bei vielen für die folgende Morgentoilette existenziell. Im Gegensatz zu normalen Tagen, dann aber im Idealfall nur eine, maximal zwei Tassen trinken, um nicht jetzt schon das Pulver verschießen – Stichwort Müdigkeit.

Direkt vor dem Start Koffein in Form eines Gels zu sich zu nehmen, macht wenig Sinn, da der Körper noch ausgeruht ist und das Koffein hier auch mal ganz gerne seine unwillkommenen Nebenwirkungen in Form von Magen-Dram-Problemen entfaltet; Nervosität und vielleicht Angst entlädt. Man denke nur an Teilnehmer, die das erste Mal bei einem Wettkampf im Freiwasser schwimmen und eh schon angespannt sind.

Der erste Koffein-Intake könnte beim Ironman in der Mitte beziehungsweise im letzten Drittel getimt sein. Vielleicht nicht gleich die kompletten 6 Milligramm pro Kilogramm beziehungsweise die selbst ermittelte individuelle Höchstdosis, sondern erstmal mit 3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht. Wenn dann alles gut läuft und das Koffein auch vertragen wird, dann in den letzten drei Stunden des Rennes die zweiten 3 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht – abzüglich der Halbwertszeit des Morgenkoffeins.

Beim Radmarathon macht es auch Sinn, die Koffeingabe frühestens bei der Hälfte des Rennens zu beginnen und sich einen Boost noch für die finalen zwei Rennstunden aufzuheben – also drei bis zweieinhalb Stunden vor Schluss – die Einwirkzeit miteingerechnet.

Als begeisterte Cola- und Snickers-Konsumenten an Tankstellen während der Radausfahrt können wir hier übriges eine Lanze für den Softdrink aussprechen. Wer gegen Rennende Riegel und Gels nicht mehr „schmecken“ kann und sensorisch davon gesättigt ist, dem hilft eine Cola enorm. Koffein und Kohlenhydrate in bekömmlicher und bekannter Form – sofern die Kohlensäure vorher rausgeschüttelt wurde. Das Natrium muss man sich dann über die Salzbrezeln zuführen ;-).

Fazit: Koffein-Supplementation ist Teil einer periodisierten Ernährungsstrategie

Bei der Supplementation mit Koffein gilt: probieren geht über studieren. Genauso wie bei der optimalen Kohlenhydratmenge – 60, 90 oder 120 Gramm pro Stunde  – muss hier jeder für sich ganz individuell ausprobieren, was er verträgt. Entweder während langer Trainingstage oder noch besser in einem Vorbereitungswettkampf oder mehreren Vorbereitungswettkämpfen kann sich der Sportler dann im Endeffekt an seine persönliche Dosis Koffein herantasten.

Einfach auf Verdacht mit 6 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht in einem wichtigen Wettkampf zu „arbeiten“, birgt ein großes Risiko. Wer das dann ohne Vorerfahrung einnimmt, läuft durchaus Gefahr, dass Rennen im wahrsten Sinne des Wortes zu verkacken.

Trotz aller Tests und Erprobungseinheiten sollte aber auch darauf geachtet werden, dass das Koffein eine so wertvolle Substanz für den Körper ist, dass man es nicht unbedingt wahllos im Training zu sich nehmen muss. Gibt es den Lieblingsriegel oder das Lieblingsgel auch ohne Koffein, so ist dies in den meisten Trainingseinheiten die bessere Wahl sein.

Jeder Hobbysportler und jede Hobbysportlerin sollte sich fragen: Warum nehme ich ein Produkt mit Koffein – sei es nun Sportgetränk, Riegel oder Gel – im Training?

Und ehrlich gesagt gibt es nur eine Antwort: Der Athlet sollte es gezielt einsetzen – im Übrigen genauso wie Kreatin, Nitrat etc. Entweder bei längeren Fahrten mit bewusst verringerter Energieaufnahme, um die Ermüdung hinauszuzögern, sowie an Tagen mit zwei Trainingseinheiten, die motorisch anspruchsvoll sind; oder aber als Test für den eigentlichen Wettkampf. Im klassischen und normalen Trainingsalltag muss es aber keine Anwendung finden.

Fotos: Junkmiles, Alpecin Cycling /Stefan Rachow, Alpecin Cycling / Felix Homann

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