Ketone steigern die EPO-Produktion im Training

Trends gibt es nicht nur in der Modewelt, sondern auch in der (Sport-) Wissenschaft. Dabei erleben wir immer wieder, das Trends entstehen aus gänzlich neuen Entwicklungen; aber auch Trends wieder „aufgewärmt“ werden, die zu einem früheren Zeitpunkt schon einmal da gewesen sind.

Das Schöne an der Wissenschaft ist in diesem Falle: Immer wieder wird aufs Neue überprüft, welche Wirkung ein derartiger „Trend“ hat und ob er sich von einem kurzweiligen Trend zu einem nachhaltigen Bestandteil in der Wissenschaft oder auch der Sportpraxis etablieren kann.

Eines dieser Trends ist in den vergangenen Jahren die Gabe von Ketonen oder auch Ketonkörpern gewesen. In der Podcast-Folge 78 widmen wir uns in der Studie des Monats den Auswirkungen einer Keton-Gabe auf die Produktion von Erythropoetin und haben in diesem Blog-Beitrag einige wissenschaftliche Aspekte für euch zusammengefasst.

Was sind Ketone und wann entstehen sie?

Bei Ketonkörpern handelt es sich zunächst einmal nicht um ein chemisches Produkt aus dem Labor, sondern um einen natürlichen „Stoff“, der im Körper produziert wird. Potentiell etwas unangenehm sind dabei die Umstände, in denen Ketone gebildet werden: Es bedarf einer katabolen Stoffwechsellage; ausgelöst durch bewusstes Fasten, den Mangel an Kohlenhydraten oder andauerndem Hunger über viele Stunden oder gar Tage hinweg.

Liegen diese Umstände – ob ungewünscht oder während des Fastens oder einer Low-Carb-High-Fat-Ernährungsweise gar gewünscht vor, verschiebt der Körper seine Energiebereitstellung in Richtung einer Ketogenese. Bei dieser werden in den Mitochondrien oder der Leber vermehrte Ketonkörper gebildet, die im weiteren Verlauf als Energiequelle genutzt werden können. Die Ketogenese ist dabei verwandt mit dem eigentlichen Fettstoffwechsel des Körpers (Podcast #76 Das maximale Pyruvatdefizit) und baut ebenfalls auf einer Aktivierung des Moleküls Acetyl-CoA auf.

Wir dürfen Ketone also als eine Art Energieträger abspeichern, der auf natürlichem Wege produziert werden kann. Den „Trend“ hat in den vergangenen Jahren die Entwicklung industriell hergestellter Ketonkörper ausgemacht. Sowohl in der Wissenschaft aus auch im (professionellen) Ausdauersport stellte sich die Frage nach den Benefits in puncto Performance und Regeneration bei Gabe exogener Ketone.

Ketone und EPO im im Training im Radsport und Triathlon

Nicht nur Energieträger sondern auch Signalmolekül

Mit immer mehr wissenschaftlichem Know How zu Ketonkörpern sowohl in der Sportwissenschaft als auch in der Medizin, stellt sich zunehmend die Frage, ob Ketonkörper „nur“ ein Energieträger sind, oder gar „Signalwirkung“ haben.

Wenn wir von einem „Signal“ sprechen meinen wir damit Vorgänge im Körper, die – wie der Name sagt – ein Signal auslösen, damit es dann zu einer Anpassung kommt. Beispiel: Ausdauertraining löst auf unterschiedlichen Ebenen Trainingsstress aus. Dieser dient als „Signal“ für den Körper, sich an eben diesen anpassen zu müssen und der Körper antwortet mit einer Adaptation.

Die Frage danach, ob es sich bei Ketonkörpern auch um ein Signalmolekül handeln kann, entstand aus einem Zufallsfund:

Ketonkörper werden in der Wissenschaft auch in der Diabetes-Forschung untersucht. Bei Diabetes-Patienten ist die Häufigkeit einer Ketonkörper-Bildung aufgrund des gestörten Kohlenhydrat-Stoffwechsels erhöht. Auffällig war bei gewissen Beobachtungen, dass neben der erhöhten Ketonkörper-Bildung auch Hämatokrit und Hämoglobin-Werte – zwei entscheidende Marker in puncto Bildung roter Blutkörperchen – erhöht waren.

Gibt es also einen potentiellen Effekt auf die Produktion roter Blutkörperchen in Verbindung zu Ketonkörpern?

Ketone und EPO im im Training im Radsport und Triathlon

Die Rolle des Erythropoetins

Ein Zusammenhang zwischen der Bildung von Ketonkörpern und einer größeren Masse roter Blutkörperchen? Und in der Verbindung vermutlich auch noch ein verbesserter Sauerstoff- und Nährstofftransport und darüber eine bessere Leistungsfähigkeit? Klingt grundsätzlich sehr verlockend, der Weg der wissenschaftlichen Beweisführung ist aber weit.

Auf eben diesem Weg gibt es ein wichtiges Hormon, welches zum Erkenntnisgewinn beitragen kann: Erythropoetin – umgangssprachlich besser bekannt als EPO.

EPO kennt man aktuell durch den Fall des HSV-Fußballprofis Mario Vuskovic oder natürlich aus Jahrzehnten der missbräuchlichen Verwendung im Ausdauersport. Eigentlich schade, da Erythropoetin ein sehr wichtiges körpereigenes Signalhormon ist. Dabei liegt die Hauptrolle dieses Hormons in der Regulation der Produktion roter Blutkörperchen, wodurch es auch trainingsphysiologisch natürlich eine besondere Stellung hat.

Die natürliche Stimulation von EPO geschieht im Trainingsalltag; eine besondere Rolle nimmt dabei aber das Training unter hypoxischen Bedingungen ein. Hypoxie und die damit verbundene Reduktion des Sauerstoffpartialdrucks sind eine valide Methode, um die EPO-Produktion des Körpers anzuregen. Einige weitere Infos zum Thema Hypoxie-Training gibt es auch in unserer Junkmiles-Folge #56 zu diesem Thema.

Wenn man nun also den Zusammenhang zwischen Ketonkörpern und Produktion roter Blutkörperchen untersuchen möchte, ist die Betrachtung des Erythropoetins ein entscheidender Faktor!

Studie des Monats: Keton-Gabe und EPO-Produktion

In der Studie des Monats haben wir die Studie von Evans et al. (American Journal of Physiology Endorcinology and Metabolism, 2022) vorgestellt.  Untersucht wurde in dieser Studie die Auswirkung einer Ketonkörper-Gabe nach einem einstündigen intensiven Training auf die Produktion des körpereigenen EPOs.

In einem cross-over-Design absolvierten 9 Probanden eine einstündige Rad-Einheit mit wechselnden intensiven Belastungen und bekamen nach der Belastung insgesamt vier Recovery-Shakes – davon drei Mal mit Ketonkörpern (Keton-Gruppe) oder gänzlich ohne Ketonkörper (Kontrollgruppe). Die Menge der Ketone pro Shake lag bei etwa 20-25 Gramm, welches der Menge eines handelsüblichen Keton-Ester-Fläschchens entspricht.

Ketonkörper steigern die EPO-Produktion im Radsport und Triathlon

Evans et al., 2022

Die Ergebnisse zeigen dabei eine signifikante Erhöhung der EPO-Konzentration in der Keton-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe zum Zeitpunkt von 2, 3 und 4 Stunden nach der Belastung (siehe Grafik).

Ketonkörper steigern die EPO-Produktion im Radsport und Triathlon

Evans et al., 2022

Fazit und Ausblick

Die Studie von Evans et al. ist ein erster Auftakt zur Untersuchung von Ketonkörpern als Signalmolekül in Verbindung zum Ausdauertraining.

Methodenkritisch sollte berücksichtigt werden, dass es sich hierbei um eine Studie mit einem einmaligen Test handelt und die Probandengröße mit 9 Teilnehmern überschaubar ist.

Der Ausblick auf diesem Gebiet bleibt sehr spannend, da sich ausgehend von dieser Studie Anschlussfragen stellen, die von hoher Relevanz für das Training sein können:

  • Handelt es sich um einen einmaligen EPO-Anstieg oder ist diese im Trainingsalltag mit vermehrten Trainingseinheiten reproduzierbar?
  • Was sind die genauen Mechanismen hinter dem potentiellen Zusammenhang aus Ketonkörpern und EPO-Produktion?
  • Lassen sich die Ergebnisse auch bei sehr gut trainierten Sportlern reproduzieren?
  • Führt der Anstieg der EPO-Produktion auch wahrhaftig zu einem Anstieg der roten Blutkörperchen und damit zu einer Verbesserung u.a. des Sauerstofftransports?
  • Wie ist der Effekt mit gesteigertem Trainingsvolumen und -intensität einzelner Einheiten?

Wir werden dieses Thema in den kommenden Monaten in jedem Fall weiterhin beobachten und die neuesten Ergebnisse anschauen. Das Potential für einen nachhaltigeren Trend, der sogar den Weg in die breitere Trainingspraxis im (Profi-) Sport findet, ist in jedem Fall vorhanden.

Alle Updates dazu hört und lest ihr – wie immer – bei Junkmiles!

Training und EPO im Radsport und Triathlon

Podcast-Kritik und Korrektur

Die Messlatte des wissenschaftlichen Anspruchs wollen wir auch für unseren Podcast anlegen: Fälschlicherweise berichte ich bei der Studie des Monats teilweise über eine Infusion der Ketonkörper. Der Fehler ergab sich, da in anderen Studien zB. in der Diabetes-Forschung auch Keton-Infusionen stattfinden. Richtig ist aber, dass es sich in der Studie von Evans et al. nicht um eine Infusion, sondern eine orale Gabe der Ketonkörper handelt. Die Menge ist dabei

Quellen

Evans et al., Ketone monoester ingestion increases postexercise serum erythropoietin concentrations in healthy men, American Journal of Physiology Endocrinology and Metabolism, 2022

Lauritsen et al., Ketone Body Infusion Increases Circulating Erythropoietin and Bone Marrow Glucose Uptake. Diabetes Care, 2018.

Vandoorne T et al., Intake of a ketone ester drink during recoveryfrom exercise promotes mTORC1 signaling but not glycogen resyn-thesis in human muscle, Front Physiol, 2017

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